Jurierung der Umbauentwürfe zur Geschwister-Scholl-Schule

Die Testentwürfe des studentischen Ideenwettbewerbs „OLD SCHOOL – Neues Lernen“ wurden von einer Jury ausgewertet. Die Jury bestand aus: Schulleitung, Vertreter*innen der Ämter der Stadt Heidelberg, Akteure aus Heidelberg, Bildungspartner, Architekt*innen, Stadtplaner*innen, Landschaftsplaner*innen sowie Forscher*innen des Reallabors STADT-RAUM-BILDUNG.

Ziel dieser Jury war nicht nur die Bewertung der einzelnen Entwürfe, sondern auch ein übergreifender Diskurs zwischen Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft ebenso wie zwischen den Disziplinen Pädagogik, Architektur und Stadtplanung. Anhand der konkreten Testentwürfe für den Transformationsprozess der Geschwister-Scholl-Schule und der näheren Umgebung konnten verschiedene Vorgehen zu Umbau im Detail besprochen und ausgewertet werden.

Die Projekte wurde zwei Wochen öffentlich ausgestellt. Weiter lesen >> Ausstellung…

Konstituierung des Preisgerichts (siehe Fotogalerie unten):

Fachpreisrichter*innen:
– Prof. i.R. Dr. Helmut Bott, Universität Stuttgart, Forschungsteam
– Annette Friedrich, Stadt Heidelberg, Stadtplanungsamt
– Xenia Hirschfeld, Stadt Heidelberg, Gebäudemanagement
– Jochen Köber, koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
– Elke Reichel, Reichel Schlaier Architekten, Stuttgart

Stellvertretende Fachpreisrichter*innen:
– Mandana Alimardani, SRH Heidelberg, Projektkoordinatorin Forschungsteam
– Franziska Bettac, IBA „Wissen I schafft I Stadt“ Heidelberg
– Prof. Dr. Astrid Ley, Universität Stuttgart, Städtebau Institut, Forschungsteam
– Margit Sachtlebe, Stadt Heidelberg, Stadtplanungsamt

Sachpreisrichter*innen:
– Stephan Brühl, Stadt Heidelberg, Amt für Schule und Bildung
– Sabine Horn, Geschwister-Scholl-Schule, Schulleiterin
– Dr. Otto Seydel, Institut für Schulentwicklung, Forschungsteam
– Jörn Fuchs, 1.Vorsitz Stadtteilverein Kirchheim, Stadt Heidelberg

Stellvertretende Sachpreisrichter*innen:
– Angelika Kern, Stadt Heidelberg, Landschafts- und Forstamt
– Prof. Dr. Albrecht Wacker, PH Heidelberg, Forschungsteam

Vorprüfer*innen:
– Charlotte Eller, Universität Stuttgart, Forschungsteam
– Martina Hilligardt, Universität Stuttgart, Forschungsteam

 

Im Folgenden die Bewertung der Preisträger-Arbeiten und die Originalpläne:

Erster Preis: Freizeit[t]räume

von Henrike Heuer und Anne Sauter

Die Arbeit „Freizeit[t]räume“ zeichnet sich durch die offene Struktur des Schulkomplexes aus. In Anlehnung an die historische Idee der 50/60er Jahre – einer offenen Zeilenstruktur mit einem umgebenden fließenden Außenraum – werden die Baukörper von ihren Anbauten „befreit“, um so die Klarheit und Einfachheit der Bestandsgebäude zurück zu erhalten. Diese Rückbesinnung auf den ursprünglichen stadt- und landschaftsplanerischen Ansatz erhält Zuspruch der Jury.

Die einzelnen Gebäude erhalten durch offene, vertikale Erschließungs- und Aufenthaltsräume eine jeweils eigene Adresse, ähnlich der eines Wohnhauses. Somit wird eine hohe Identifikation mit dem eigenen „Lern-Haus“ geschaffen. Das durch die Architektursprache ausformulierte eigene „Zuhause“ einer Klassenstufe wird als attraktive und ansprechende Lösung gesehen.

Im Innern unterscheiden sich die Lernräume entsprechend der Altersgruppen der Kinder. Die Gestaltung der offenen Lernlandschaft und die Untergliederung in laute und leise Bereiche wird aus pädagogischer Sicht als sehr gelungen bewertet. Jedoch ist zu bedenken, dass dieser Vorschlag durchaus zu einer Überforderung des Kollegiums führen könnte, denn mit derartig offenen Räumen müssten Nutzer*innen erst „lernen“ umzugehen. Der Kontrast zum Bestand wäre derzeit zu hoch.

Die Planung für eine mögliche Dreizügigkeit der Schule ist zwar zukunftsweisend, jedoch könnten die räumlichen Ideen ausschließlich dafür realisiert werden, da der Entwurf keine Anpassbarkeit für eine mögliche Zweizügigkeit zulässt. Ebenso wird die vorgeschlagene Synergie zwischen Stadtteilbibliothek und Arbeitsplätzen für das Lehrerkollegium in Frage gestellt.

Insgesamt beantwortet die Arbeit alle Fragen zum Städtebau, zur Architektur und Pädagogik in einem übergreifenden und logischen Konzept, welches dem Forschungstitel STADT-RAUM-BILDUNG – in allen drei Belangen – gerecht wird.

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Zweiter Preis: „LernHausBegleiter“

von Elif Kälberer und Christiana Weiß 

Die Arbeit „LernHausBegleiter“ zeichnet sich durch einen mutigen, experimentellen Ansatz aus. Der pädagogische Begriff des Lernbegleiters wird hier wörtlich zum LernHAUSbegleiter. Die Bestandsgebäude bleiben nahezu unverändert. Durch den Neubau von Nachbargebäuden, die das Erscheinungsbild eines „Zwillings“ haben, wird aus einem einhüftigen Flur ein zweihüftiger. Funktional wird so das Verhältnis von Erschließungs- zu Nutzfläche verbessert.

Die strategische Entscheidung, den Neubau für den differenzierten Unterricht zu nutzen, wird gelobt. Dort lassen sich flexible Raumaneignungen über zwei Geschosse hinweg realisieren. Gleichzeitig übernimmt der Neubau die Funktion einer Aula, da sich alle Klassenstufen dort versammeln können. Als schwierig werden die konstruktiven Anschlüsse der Neubauten an die Fassade der Bestandsgebäude gesehen.

Die organisatorisch und strukturell sehr vorteilhaften Neubauten sind im vorliegenden Entwurf noch überdimensioniert, könnten aber bei einer Überarbeitung angepasst werden. Ebenso wird die Atmosphäre der Anbauten kritisch beurteilt, die bei den Pädagogen Erinnerungen an Industriebau oder Garagen hervorrufen. Jedoch gilt auch dieses Element als anpassbar.

Die Erhaltung der Klassenräume als „Heimat“ mit festen Arbeitsplätzen der Kinder und des Lehrpersonals in der Kombination mit zugeordnetem Materiallager wird als zukunftsweisende Lösung für eine derartige Schulbautypologie betrachtet. In diesem Sinne verkörpert dieser Testentwurf die Idee des Titels „OLD SCHOOL – Neues Lernen“ bis ins Detail.

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Anerkennung: „Schule wird Stadt“

von Marielle Neuser und Alissa Schneiderhan

Die Arbeit „Schule wird Stadt“ zeichnet sich vor allem durch den städtebaulichen Ansatz aus, denn die Ausbildung eines Quartiersplatzes auf der Nordseite über die Straße hinweg ermöglicht eine neue Adressbildung der Schule und eine Verknüpfung in die Nachbarschaft hinein.

Die Geste im öffentlichen Raum setzt sich auf dem Schulgelände im Inneren der Gebäude fort. Entlang einer Nord-Süd-Achse wird eine Lernstraße eingeführt, welche strukturell die verschiedenen Einzelgebäude miteinander verbindet. Diese neu geschaffenen, offenen Zonen dienen dem freien Lernen, der Gruppenarbeit sowie als Treffpunkt der Schulgemeinschaft. Gleichzeitig ist dieser Raum Pufferzone zwischen öffentlich-repräsentativen Funktionen und privaten, ruhigen Arbeitsbereichen. Aus städtebaulicher Sicht erscheint diese Entscheidung plausibel, wird jedoch von den Pädagogen als schwer nutzbar wahrgenommen, da die Entfernung zwischen ruhigen Arbeitszonen und Räumen für differenziertes Arbeiten zu groß ist.

Problematisch ist zudem der weitläufige Anbau, dessen Dachfläche nicht genutzt zu sein scheint. Hier stellt sich die Frage, ob der bestehende, grüne Pausenhof durch einen solch großen Anbau an Qualität verlieren würde.

Die Ausgestaltung der Lernräume im Inneren und die angepasste Gestaltung für Grundschule und Sekundarstufe werden positiv bewertet.

Im Allgemeinen leistet die Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Diskussion bezüglich stadtplanerischen Maßnahmen der heutigen Wissensgesellschaft und der These „Schule wird Stadt. Stadt wird Schule“; denn die Öffnung der Schule und die Vernetzung mit dem Quartier wird eine immer größere Rolle beim Schulbau spielen.

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Anerkennung: „Neues Zentrum“

von Svenja Feles und Baktybala Otarbayeva

Die Arbeit „Neues Zentrum für Kirchheim“ zeichnet sich darin aus, dass sie durch wenige Eingriffe in den Bestand eine hohe Wirkung erzielt. Durch einen Anbau an das Gebäude mittig auf dem Gelände wird die aktuelle Adresse und Sichtbarkeit der Schule gestärkt. Dieser Hauptbau erhält einen befestigten Vorplatz, der sowohl Ankommensort der Schule ist, als auch vom Quartier als Veranstaltungsfläche am Wochenende genutzt werden kann. Der Erhalt der momentanen Adresse bzw. des Hauptgebäudes und dessen vorgeschlagene Inszenierung wird von der Jury gewürdigt und als angemessen sowie realisierbar eingestuft.

Weitere An- oder Umbauten werden in der Arbeit minimal gehalten. Ergänzt wird das Gesamtensemble durch einen Neubau im Süden. Die Definition einzelner Gebäude als Schnittstellengebäude zwischen Schule und Quartier (z.B. Werkstatt-Gebäude im Süden) sollen Kooperationen mit externen Bildungspartnern unterstützen. Dadurch ist es möglich diese Gebäude auch öffentlich zu nutzen, ohne dass die anderen eher privateren Räume beeinträchtigt werden. Diese Abstufung und Gliederung pro Gebäude wird von den Pädagogen und Nutzern als zielführend und übersichtlich gewertet.

Die Grundrissgestaltung der Klassenräume wird zwar von den Pädagogen gelobt, es fehlt aber gleichzeitig an Innovationsgedanken für den differenzierten Unterricht. Zudem wird der Eingriff in den Bestand im Innenraum als sehr hoch eingestuft.

Im Allgemeinen ist der Ansatz, mit behutsamen Eingriffen die Potentiale der Schule herauszuarbeiten im Sinne des „Bauens im Bestand“ sehr positiv zu werten. Man wünscht der Arbeit jedoch an einigen Stellen mehr Mut und Konsistenz diesen Ansatz zu Ende zu bringen. Nichtsdestotrotz ist sie ein wertvoller Beitrag zur Aufgabe „OLD SCHOOL – Neues Lernen“, denn sie stellt in allen Punkten und Entscheidungen immer die Nutzerinteressen in den Vordergrund.

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AUSWERTUNG

Eine Auswertung und Vergleichsstudie der studentischen Arbeiten ist voraussichtlich ab September 2017 erhältlich: >>Publikationen.